Geschichte der Ärztekammer Hamburg
Die Geschichte der Ärztekammer Hamburg beginnt mit einem Verein. 1816 gegründet, hatte sich es der Ärztliche Verein Hamburg zur Aufgabe gemacht, das medizinische Wissen seiner Mitglieder durch die Beschaffung von Fachliteratur und Vorträge zu erweitern sowie hilfsbedürftige Ärzte und ihre Familien zu unterstützen. Ab den 1880er Jahren versuchte der Ärztliche Verein Hamburg zudem, den Hamburger Senat davon zu überzeugen, den Ärzten größere Unabhängigkeit bei der Ausübung ihrer Tätigkeit zuzugestehen. Besonders die Übertragung der Disziplinargewalt auf die Berufsgerichte wollte der Senat aber nicht ohne Weiteres hinnehmen.
Kammergründung infolge der Cholera-Epidemie 1892
Ein Umdenken brachte erst das katastrophale Versagen öffentlicher Gesundheitsmaßnahmen während der Cholera-Epidemie von 1892. Sie forderte in Hamburg fast 9000 Todesopfer. Unter diesem Eindruck verabschiedete der Senat im Juli 1893 die Ärzteordnung und verkündete diese im Dezember 1894. Damit war der Weg frei für die Gründung einer Ärztekammer.
Am 25. April 1895 kamen 14 Ärzte zur konstituierenden Sitzung einer Ärztekammer in Hamburg zusammen. In der ersten Satzung wurde festgelegt, dass künftig 15 Hamburger Ärzte als Vertreter in die Kammer gewählt werden sollten. Die Satzung verpflichtete die Hamburger Ärzte, Beiträge an die Ärztekammer zu zahlen. Sie regelte die öffentliche Gesundheitsfürsorge wie das Ausstellen von Todesbescheinigungen, Entbindungen oder Einweisungen in die Psychiatrien.
Die Kammervertreter trafen sich zweimal im Jahr. Die Kammer hatte Disziplinargewalt bei unangemessenem Verhalten eines Arztes, war aber noch keine eigenständige Organisation öffentlichen Rechts und noch weitgehend abhängig von der städtischen Gesundheitsverwaltung.
NS-Zeit: Verfolgung und Entrechtung jüdische Ärztinnen und Ärzte und Aufgabe der Selbstverwaltung
Zu grundlegenden Veränderungen in der Kammerarbeit führte die nationalsozialistische Herrschaft von 1933 bis 1945. Die ärztliche Selbstverwaltung mit der demokratischen Legitimation ihrer Organe durch Wahl, mit ihrem Satzungsrecht und ihrer Disziplinargewalt wurde abgeschafft. Die Ärztekammer Hamburg in ihrer bis dahin bestehenden Form wurde im Mai 1933 aufgelöst und lediglich durch einen vom Gesundheitssenator ernannten Vorstand vertreten. Wenig später im August 1933 erfolgte auch die Auflösung der Hamburger Kassenärztlichen Vereinigung. Beide Körperschaften wurden 1936 zu einer weitgehend unselbständigen Ortsgruppe der neu gegründeten Reichsärztekammer unter den Reichsärzteführern Gerhard Wagner und Leonardo Conti umgewandelt.
Auch in Hamburg übernahmen die ärztlichen Verwaltungsorgane übernahmen schnell und weitestgehend ohne Protest antisemitische Maßnahmen. 1930 waren in Deutschland rund 16 Prozent der deutschen Ärzte jüdischer Abstammung, in Hamburg war rund ein Viertel der Ärztinnen und Ärzte jüdischer Herkunft. Sie wurden verfolgt, vertrieben und viele ermordet. Widerstand und Hilfe gab es seitens der damaligen Kammer und der Ärzteschaft nicht, viele Ärzte waren froh über das Freiwerden von Arbeitsplätzen und den eigenen Vorteil. Anna von Villiez hat in ihrem Buch „Mit aller Kraft verdrängt – Entrechtung und Verfolgung „nichtarischer“ Ärzte in Hamburg von 1933 bis 1945“ das Schicksal jüdischer Ärzte während der Zeit des Nationalsozialismus in Hamburg mit großer Sorgfalt und Ausführlichkeit dargestellt. In einer Gedenkveranstaltung im Jahre 2006 wurde das Buch präsentiert. Eine Gedenktafel erinnert bis heute in der Fortbildungsakademie der Ärztekammer Hamburg an die vielen jüdischen Kolleginnen und Kollegen aus Hamburg, denen Unrecht geschah und von denen nach heutigem Kenntnisstand mehr als 400 entrechtet und mindestens 44 ermordet wurden. Viele weitere flohen in den Freitod, wie Anna von Villiez in einem Artikel zum 125jährigen Jubiläum der Ärztekammer Hamburg im Hamburger Ärzteblatt schreibt (Den Artikel können Sie hier ab Seite 36 lesen.).
Schnelle Wiederaufnahme der ständischen Arbeit nach Kriegsende
Nach Kriegsende traten schon am 15. und 16. Mai 1945 unbelastete Mitglieder der alten Kassenärztlichen Vereinigung und der Kammer von vor 1933 zusammen und nahmen ihre ständische Arbeit wieder auf.
Inzwischen hat sich die Ärztekammer stark gewandelt. Aus den einstmals 15 Herren sind heute 57 Delegierte geworden. Frauen sind in der Delegiertenversammlung, dem Hamburger Ärzteparlament, inzwischen in der Mehrheit. Die Delegierten werden alle vier Jahre gewählt und bestimmen aus ihren Reihen einen Vorstand von sieben Ärztinnen und Ärzten, der die Beschlüsse der Delegierten umsetzt, politische Positionen entwickelt und die Ärzteschaft nach außen vertritt. Dabei kann er auf die Dienste von inzwischen rund 100 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kammer zurückgreifen. Deren Hauptaufgaben sind gemeinsam mit den zahlreich aktiven Ärztinnen und Ärzten im Ehrenamt, die Organisation der Weiter- und Fortbildung der Hamburger Ärzteschaft, die Überwachung der ärztlichen Berufspflichten sowie die Interessensvertretung der Mitglieder. Sie alle schreiben die Geschichte der Kammer weiter.
Bibliothek des Ärztlichen Vereins wird Teil der Staatsbibliothek
Als Nachfolgerin des ärztlichen Vereins betrieb die Ärztekammer eine eigenständige Bibliothek (BÄV). Diese wurde auf Beschluss der Delegiertenversammlung im Jahr 2017 geschlossen. Als „Historische Bibliothek des Ärztlichen Vereins“ wurden ihre wertvollen Bestände in die Abteilung Sondersammlungen der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky (SUB) aufgenommen und als solche im Katalog kenntlich gemacht. Zudem hat die SUB spezielle Sammlungen des Ärztlichen Vereins übernommen. Entsäuerte und restaurierte Bücher sind ebenfalls in den SUB-Bestand übergegangen. Auf diese Weise wird neben dem historischen Altbestand ein weiterer bedeutender Teil des Gesamtbestands der BÄV erhalten und bleibt sowohl der Ärzteschaft als auch der interessierten Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich. Zur Website der SUB.
Weiterbildung und Fortbildung der Ärzteschaft prägen die Kammerarbeit bis heute
Schwerpunkt der Kammerarbeit war in den letzten Jahrzehnten zum einen die Weiterbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt. Seit 1980 gibt es in Hamburg dafür auch eine eigene Weiterbildungsordnung (WBO), die unter anderem eine Prüfung zum Abschluss der Weiterbildungszeit vorsieht. Die WBO wurde seither mehrfach novelliert, mit der Einführung der WBO 2020 rückten die tatsächlich erworbenen Kompetenzen während der ärztlichen Weiterbildung stärker in den Fokus, die bis dahin maßgeblichen Weiterbildungszeiten traten dagegen in den Hintergrund. Der andere Schwerpunkt der Kammerarbeit liegt in der kontinuierlichen Fortbildung der Mitglieder. In der 1988 gegründeten Fortbildungsakademie werden jährlich rund 140 Seminare, Veranstaltungen und Kurse angeboten, um Ärztinnen und Ärzte über das gesamte Berufsleben hinweg auf dem neuesten Stand medizinischer Forschung und Behandlungsmethoden zu halten und so die Qualität der Patientenversorgung zu sichern. Nicht zuletzt macht auch die Berufsaufsicht über die Hamburger Ärztinnen und Ärzte, die einen großen Bestandteil der Arbeit aus. Bei etwa 600 Beschwerden jährlich wird geprüft, ob eine Ärztin bzw. ein Arzt gegen Berufspflichten verstoßen hat. Wie die Weiterbildung und die umfangreichen Angebote der Fortbildungsakademie trägt auch die Berufsaufsicht dazu bei, die Qualität der medizinischen Versorgung in Hamburg zu sichern und weiter auszubauen.