F O R U M M E D I Z I N F O R U M M E D I Z I N L E S E R B R I E F E Nr. 02/2023, Leserbrief von Dr. Marek Koch: Brauchen wir Masken?, S. 34 f. Der Corona-Expertenrat und der Sach- verständigenausschuss empfehlen eine Maskenpflicht. Doch dabei stützen sich die Gremien der Bundesregierung auf Studien mit niedrigem Evidenzgrad. F O R U M M E D I Z I N F O R U M M E D I Z I N L E S E R B R I E F Meinung Der Corona-Expertenrat und der Sachverständigenausschuss empfehlen eine Maskenpflicht. Doch dabei stützen sich die Gremien der Bundesregierung auf Studien mit niedrigem Evidenzgrad Von Dr. Marek Koch Brauchen wir Masken? Die offiziellen Gremien der Bundesregie- rung, der Corona-Expertenrat und der Sachverständigenausschuss, empfahlen im Juni 2022 das Maskentragen als ein wirksa- mes Instrument in der Pandemiebekämp- fung (1 – 4). Die Empfehlung des Sachverständigenaus- schusses stützt sich allerdings vor allem auf tierexperimentelle Studien, epidemiologi- sche und deskriptive Beobachtungen und nicht auf Studien, die in der „evidence- based medicine“ (EBM) den höchsten Evi- denzgrad haben: randomisierte kontrollier- te Studien (randomized controlled trials; RCTs) und quantitative Metaanalysen, die die RCTs umfassen. In ihrem am 30. Juni 2022 veröffentlichten Bericht „Evaluation der Rechtsgrundlagen und Maßnahmen der Pandemiepolitik“ verwickeln sich die Experten des Sachverständigenausschusses in Widersprüche. Einerseits geben sie zu, dass sie keine systematische Literaturre- cherche durchgeführt und keine RCTs ge- funden haben, andererseits behaupten sie nichtsdestotrotz, dass „die epidemiologisch messbare Wirksamkeit von Gesichtsmasken durch mehrere Evidenzgrade belegt sei“ und „nicht abschließend geklärt wurde, wie groß der Schutzeffekt von Masken in der tägli- chen Praxis sei“. Die RCTs sind jedoch die Grundlage für die Bewertung jeder medizinischen Maßnahme (5 – 6). Im Gegensatz zu der Behauptung des Sachverständigenausschusses, dass „RCTs zur Wirksamkeit von Masken fehlen“, gibt es jedoch derartige Studien. Diese liefern jedoch aktuell keinen eindeutigen Beweis, dass das Maskentragen hilft, die Pandemie wirksam zu bekämpfen. Erstaunlicherweise wurde in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, nicht nur keine systematische Literaturrecherche, sondern auch keine Kosten-Nutzen-Analy- se bzw. ein Health Technology Assessment (HTA) bezüglich der Maskenpflicht durch- geführt (7 – 10). Die HTAs und Bewertun- gen der evidenzbasierten Leitlinien werden normalerweise durch das Institut für Quali- tät und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits- wesen (IQWiG) durchgeführt. Was sagt die EBM zu Masken? nichtrandomisierte Die meisten Empfehlungen zur Masken- pflicht stützen sich auf Beobachtungs- studien, Studien, mechanistische Labormodelle und Exper- tenmeinungen, die in der EBM den nied- rigsten Evidenzgrad haben. Dugré et al. wei- sen darauf hin, dass „Beobachtungsstudien ein hohes Risiko der Verzerrung bergen, da bei der Verwendung von Masken mög- licherweise einfach vorsichtige mit weniger vorsichtigen Personen verglichen werden. Es sind RCT-Daten erforderlich, um die tat- sächliche Wirkung von Masken auf die In- fektionsprävention zu ermitteln.“ (11) Xiao und Tabatabaeizadeh postulieren ebenfalls, dass RCTs unentbehrlich seien, um die besten Schutzmaßnahmen gegen SARS-CoV-2 zu identifizieren (12 – 13). In der Literatur gibt es mehrere RCTs, die die Wirksamkeit von Masken bei der Ein- dämmung respiratorischer Infektionen eva- luierten (14 – 29). Die meisten RCTs haben sich mit der Influenza und influenzaähnli- chen Erkrankungen und nur zwei mit Co- vid-19 befasst (14 – 15). Neun RCTs zeigten gar keinen statistisch signifikanten Nutzen der Masken (14, 17 – 24). Eine Studie stellte keinen Unter- schied bei der Zahl der akuten respirato- rischen Infektionen bei Maskenträgern und Nicht-Maskenträgern fest, sie wies allerdings darauf hin, dass das Tragen von Masken mit einer geringeren sekundären Übertragung in Verbindung gebracht wer- den konnte und in Ausbruchssituationen gefördert werden sollte (29). Zwei zeigten einen statistisch signifikanten Nutzen für influenzaähnliche Infektionen und einen statistisch nichtsignifikanten Nutzen für Influenza-Infektionen, beides jedoch nur in Verbindung mit regelmäßiger Handhygiene (25 – 26). Zwei weitere Studien zeigten, dass Maßnahmen wie Maskentragen und Hand- 34 H A M B U R G E R Ä R Z T E B L A T T 0 2 | 2 0 2 3 . o t o h p m m – k c o t S e b o d A © Sehr geehrter Herr Dr. Koch, danke für Ihren Artikel im aktuellen Ärzte- blatt! Endlich dürfen wieder kritische Stim- men gehört und gelesen werden. Das war die letzten drei Jahre so gut wie nicht möglich. Sofort wurde man in irgendeine Ecke oder Schublade geschoben, sobald man die Maß- nahmen vorsichtig hinterfragt und mögliche Schäden dadurch angedacht hat. Insbeson- dere auf die Kinder hat niemand geschaut; was dort die Masken auf allen Ebenen in der gesundheitlichen und psychosozialen Ent- wicklung angerichtet haben, mag man sich gar nicht ausmalen! Es wird höchste Zeit, wieder Vernunft und Umsicht walten zu lassen, nicht angstge- trieben jeder politischen Verordnung hörig nachzulaufen. Ich wünsche mir daher auch endlich ein Ende der Maskenpflicht in der Arztpraxis, die auch dort die Interaktion und Kommunikation mit den Patienten empfind- lich stört. Ich freue mich, dass gute, umsich- tige und evidenzbasierte Medizin (EBM) wiederkommt, und hoffe, dass wir aus den letzten drei Jahren für zukünftige Pandemien lernen werden. Dr. Caroline Beier Fachärztin für Allgemeinmedizin, Hamburg Sehr geehrter Herr Koch, Sie haben einen hervorragenden sachlichen Artikel zu der Sinnhaftigkeit des Masken- tragens geschrieben. Bei den Nebenwirkungen habe ich noch die bakteriellen Infektionen des Rachentrakts durch die permanent feuchte „Brutstelle“ in der Maske vermisst.Vielen herzlichen Dank! Dr. Franziska Back-Petersen Fachärztin für Kinderchirurgie, Lübeck Ich bin ziemlich fassungslos, im Hamburger Ärzteblatt ein zweiseitiges, als Leserbrief getarntes Querdenker-Elaborat zu lesen. Was qualifiziert einen Orthopäden/Un- fallchirurgen besonders dazu, sich in einer ärztlichen Fachzeitschrift über Studien zum Effekt von Masketragen bei einer hochin- fektiösen, pandemischen Atemwegserkran- kung auszulassen? Wäre es bei der Feststellung geblieben, dass die Studienlage zu diesem Thema nicht be- sonders aussagekräftig ist, wäre dagegen nichts einzuwenden. Allerdings hatten die Studien offenbar auch gar nicht die Frage- stellung, wie der epidemiologische Effekt des Masketragens im Rahmen der Corona- Pandemie zu bewerten ist. Letztlich dient die Maskenpflicht ja nicht vorrangig dem individuellen Schutz des einzelnen Masken- trägers in einer großen Menge von Nicht- Maskenträgern, sondern die Übertragung des Virus soll eingedämmt und erschwert werden. Gerade die Maskengegner haben ja postu- liert, dass die große Welle von Atemwegsin- fekten auf der Nordhalbkugel Ende letzten Jahres darauf zurückzuführen war, dass die Menschen durch das Masketragen der Atemwegsinfekte entwöhnt waren. Dann muss es ja doch einen Schutzeffekt gegeben haben ... Unerträglich wird es jedoch im zweiten Teil mit der Aufzählung angeblicher Nachteile und Schäden durch das Masketragen. Herr Dr. Koch, wie üben Sie Ihren Beruf im OP aus, wenn Sie Ihren Ausführungen zufolge offenbar täglich stundenlang der Gefahr ei- nes Erschöpfungssyndroms, einer CO2-Nar- kose unter der Maske, des Austrocknens der Augen, der kardio-pulmonalen Überlastung oder der Schädigung durch krebserregende Stoffe ausgesetzt sind? Oder operieren Sie ohne Maske und atmen Ihren Patienten di- rekt ungefiltert in die OP-Wunde? Und bitte, welches unserer Grundrechte wird denn eingeschränkt, wenn wir zeitweise im Rahmen der Corona-Pandemie, in geschlos- senen Räumen oder in der U-Bahn eine Mas- ke zum Schutz unserer Mitmenschen tragen? Im Gegenteil, es trägt dazu bei, das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit auch für vulnerable Gruppen zu stärken. Und wie- so können Sie mit Maske Ihre Persönlichkeit nicht frei entfalten? Und ja, eine korrekte Entsorgung der Masken im Müll, statt sie auf die Straße zu werfen, ist den Menschen durchaus zumutbar. Das än- dert aber nichts an ihrer Schutzfunktion. Karin Uhlenhaut Fachärztin für Chirurgie im Ruhestand Replik Ich bin verwundert über die Reaktion von Frau Uhlenhaut auf meinen Brief zum The- ma Maskenpflicht. Ihre Replik ist besonders herablassend, emotional, unsachlich und we- nig konstruktiv. Die pensionierte Chirurgin scheint die Regeln der Health Technology Assessments (HTA) und der evidenzbasier- ten Medizin (EBM) nicht zu verstehen. Sie verwechselt die Korrelation mit Kausalität, vergleicht Äpfel mit Birnen (allgemeine Mas- kenpflicht mit der Maske im OP) und benutzt reflexartig den falschen Begriff „Querdenker“, um mich als Briefautor zu diffamieren und im Hamburger Ärzteblatt eine Zensur der wis- senschaftlichen Debatte zu erzwingen. Mein Leserbrief sowie die randomisierten kontrol- lierten Studien (RCTs) und Metaanalysen, auf die ich mich berufe, sind typische Beispiele des analytischen Denkens und nicht Querden- kens. Zu erwähnen ist, dass die Maskenpflicht in vielen Ländern wie der Schweiz, Dänemark oder Großbritannien schon längst abgeschafft wurde. Herr Lauterbach hat zum 1. März die Maskenpflicht für Beschäftigte und Bewohner von Gesundheitseinrichtungen abgeschafft. Viele Landesgesundheitsminister oder der Chef der Bundesärztekammer haben bereits früher empfohlen, sie abzuschaffen. Die Frage „Brauchen wir Masken?“ darf daher gestellt werden, sollte unter Zuhilfenahme profunder Studien beantwortet werden und es sollte ein sachlicher, wissenschaftlicher Diskurs darü- ber stattfinden. Dr. Marek Koch Facharzt Orthopädie/Unfallchirurgie Facharzt für Allgemeinmedizin Sie wollen einen Leserbrief an die Redak- tion des Hamburger Ärzteblatts richten? Schreiben Sie an verlag@aekhh.de. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen. o t o h p m m – k c o t S e b o d A © 32 H A M B U R G E R Ä R Z T E B L A T T 0 3 | 2 0 2 3